Stadtgründung: Volksabstmmung in Rünthe

Ein Flugblatt von 1963. (Quelle: Stadtarchiv Bergkamen)
Ein Flugblatt von 1963. (Quelle: Stadtarchiv Bergkamen)

Am 16. Juni 1963 entschieden sich die Rünther bei einer Volksabstimmung für die Gründung der Stadt Bergkamen. Vorangegangen war eine monatelange Diskussion, die hitzig und kontrovers geführt wurde. Am Ende stimmten 62 Prozent der Wahlberichtigten für den Zusammenschluss mit den damaligen Altgemeinden Bergkamen, Heil, Oberaden, Overberge und Weddinghofen. Nötig wurde das Plebiszit, weil bei einem Showdown im Gemeinderat von Rünthe die erforderliche Mehrheit für die kommunale Neugliederung wegen einer fehlenden Stimme verpasst wurde.  Die gehörte ausgerechnet Bürgermeister Paul Prinzler, der Anfang 1963 schwer erkrankt war und deshalb nicht an der Abstimmung teilnehmen konnte. Als Amtsbürgermeister des Amtes Pelkum hatte er die Pläne zur Stadtgründung mit dem damaligen Landrat Hubert Biernat maßgeblich vorangetrieben.

Die SPD favorisierte das Zusammengehen mit den anderen Gemeinden ohne Wenn und Aber. Viele Kommunalpolitiker der Partei betrachteten den damals noch alles bestimmenden Bergbau als gemeinsame Klammer für das neue Stadtgebilde und wähnten sich damit für die Zukunft gerüstet. Die CDU hingegen wollten die Eigenständigkeit der Gemeinde erhalten und sah eine interkommunale Zusammenarbeit auf Ebene der Wirtschaftsförderung und Flächennutzungsplanung als ausreichend an. Teile der Bevölkerung sympathisierten mit einer dritten Variante, nämlich ein Ortsteil der Stadt Werne zu werden. Doch diese Alternative bildete sich im Gemeindeparlament gar nicht ab, obwohl die Nachbarn vom nördlichen Ufer der Lippe vorsichtig ihre Fühler nach Rünthe ausgestreckt hatten und bis heute traditionell viele Verbindungen bestehen, etwa bei der Schulwahl, im Einkaufs- und Freizeitverhalten oder in der medizinischen Versorgung. Spätestens an Sim-Jü haben auch alle Rünther Kirmes im Blut – keine schlechte Voraussetzung für eine Eingemeindung nach Werne.

Während in Rünthe die Volksabstimmung zu Gunsten der Stadtwerdung entschieden wurde, konnte zeitgleich bei einer in der Nachbargemeinde Overberge stattfindenden Befragung keine Mehrheit erzielt werden. Schon im Gemeinderat war die Idee von einem Zusammenschluss abgeblitzt. Der CDU-Kreisvorsitzende Dr. Weskamp mahnte, die künftige Stadt Bergkamen gleiche einer Kolchose, in die man die dummen Bauern von Overberge locken wolle. Geholfen hat es den Einwohnern freilich nicht, schließlich wurde die Altgemeinde am 1. Januar 1968 doch noch per Gesetz der Stadt Bergkamen zugeschlagen.

60 Jahre nach der Volksabstimmung über die kommunale Neugliederung sind die „Geburtsschmerzen“, die mit der Stadtgründung einhergingen, fast vergessen. Doch immer dann, wenn man sich in Rünthe von der Stadt vernachlässigt oder schlecht behandelt fühlt, wird die Frage erhoben, ob es nicht doch klüger gewesen wäre, damals mit Werne gemeinsame Sache zu machen. Rein rhetorisch, versteht sich!

Vom Gründergeist der Stadt Bergkamen ist heute nur noch eine Trümmer- wüste übrig. (Foto: Manuel Izdebski)
Vom Gründergeist der Stadt Bergkamen ist heute nur noch eine Trümmer- wüste übrig. (Foto: Manuel Izdebski)

Letztmalig wurde der Flirt zwischen den Nachbarorten durch die Eising-Kommission Anfang der 1970er Jahre befeuert. Die nach dem Ministerialdirigenten Dr. Paul Eising benannte Planungsgruppe hatte vom damaligen CDU-Innenminister Willi Weyer den Auftrag erhalten, die Städte im Ruhrgebiet neu zu sortieren. Eising favorisierte ein Städteverbandsmodell, wonach Rünthe ein Ortsteil von Werne werden und die Stadt Werne wiederum dem Städteverband Dortmund angehören sollte. Doch die Pläne der Kommission stießen parteiübergreifend auf Ablehnung und landeten in den Schubladen der Düsseldorfer Ministerialbürokratie, um sie alsbald zu vergessen.

Zu ihrem Namen kam die Stadt Bergkamen ausgerechnet durch einen entsprechenden Antrag der Altgemeinde Oberaden. Nachdem etliche Vorschläge diskutiert und beraten wurden, blieben am Ende zwei Favoriten übrig: Bergkamen oder Lippetal. Schließlich führte die Initiative der Oberadener zu einer schnellen Einigung. Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass die Stadt ausgerechnet den Namen des Ortsteils trägt, der heute von allen das schlechteste Image hat. Dazu beigetragen haben die Gründerväter der damaligen Zeit mit ihrem Großprojekt von der „Bergkamener City“, von der heute buchstäblich nur ein Trümmerhaufen übrig ist.