Wasserburg, Gutshof und Direktorenvilla - Haus Rünthe und seine wechselvolle Geschichte

Haus Rünthe ist für die Ortschaft ein bedeutsames Bauwerk. Adelige haben in der Villa am Ostenhellweg nie gelebt. (Drohnenfoto: Manuel Izdebski)
Haus Rünthe ist für die Ortschaft ein bedeutsames Bauwerk. Adelige haben in der Villa am Ostenhellweg nie gelebt. (Drohnenfoto: Manuel Izdebski)

Haus Rünthe ist ein Baudenkmal, das im Ort vermutlich jeder kennt. Vielen Einwohnern ist die Villa am Ostenhellweg als früherer Wohnsitz der Direktoren der Zeche Werne und vor allem als ehemaliger Adelssitz ein Begriff. Doch streng genommen ist das Bauwerk ein „Blender“. Als es 1876 erbaut wurde, war das Landgut längst nicht mehr in aristokratischer Hand. Der ursprüngliche Adelssitz in Rünthe war eine für Westfalen sehr typische, von Gräften umgebene Wasserburg, die sich etwa 100 Meter nördlich vom heutigen Gebäude befand. Das Aufmaß der kleinen Burganlage soll nach alten Aufzeichnungen etwa 70 Meter mal 40 Meter betragen haben. Eine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1414, doch zu diesem Zeitpunkt dürfte die Burg schon lange bestanden haben.

Das Wappen der Altgemeinde Rünthe.
Das Wappen der Altgemeinde Rünthe.

Der frühere Stadtarchivar Martin Litzinger hat sich in seiner Ortschronik ausführlich mit den Adelsgeschlechtern befasst, zu deren Besitzungen das Landgut einst gehörte. Die Urkunde von 1414 bezeugt den Verkauf der Güter Töddinghausen und Rünthe an Godeke von Hane aus Werve, einem Burgmann der Stadt Kamen. Seine Tochter Aleke heiratete 1419 Otto von Krakerügge, der aus einem Rittergeschlecht in Herbern stammte. Die Nachkommen des Paares wurden über Generationen die Herren von Rünthe. Kurz vor 1580 ehelichte Clara von Krakerügge den Philipp von Altenbockum aus dem Haus Altenmengede, einer Nebenlinie des Hauses Grimberg. Für etwas mehr als ein Jahrhundert bildeten nun die Altenbockums die Herrschaft im Ort. Die prägenden Adelsgeschlechter fanden später Eingang in das Wappen der Altgemeinde Rünthe: Der sechseckige Stern als heraldischer Bestandteil des Wappens der Familie von Krakerügge, der silberne Ring aus dem Hause von Altenbockum und Grimberg.

Die Zeichnung von 1791 zeigt das Haus Rünthe zur damaligen Zeit. (Bildnachweis: Archiv Westf. Anzeiger)
Die Zeichnung von 1791 zeigt das Haus Rünthe zur damaligen Zeit. (Bildnachweis: Archiv Westf. Anzeiger)

1697 wurde das Landgut an Dietrich von der Recke verkauft, Droste zu Unna und Kamen. Stammsitz seiner Familie war das Haus Reck in Lerche, weshalb er nie in Rünthe wohnte. Die Wasserburg in Rünthe war zu dieser Zeit längst verfallen, das Anwesen zu einem eher bescheidenen Gutshof geworden. Finanzielle Schwierigkeiten führten dazu, dass die Familie von der Recke sich 1778 von dem Landgut trennen musste. Gisbert von Torck aus Herringen wurde der letzte blaublütige Besitzer, aber auch er lebte nie im Ort. Aus dieser Zeit stammt eine Zeichnung, die der Westfälische Anzeiger in seiner Ausgabe vom 29. März 1941 veröffentlichte. Das Bild zeigt das Haus Rünthe als westfälisches Gehöft, das mit herrschaftlicher Pracht nicht viel gemein hat. Vermutlich handelt es sich um die älteste Darstellung, die es von dem alten Adelssitz gibt.

Die Todesanzeige von Stephan Witte aus der Dortmunder Zeitung vom 10. Februar 1899. (Repro: Manuel Izdebski)
Die Todesanzeige von Stephan Witte aus der Dortmunder Zeitung vom 10. Februar 1899. (Repro: Manuel Izdebski)

Ab 1787 wechselte das Gut mehrfach seine Eigentümer und erwies sich wiederholt als Fehlinvestition. Das änderte sich erst, als 1862 der Fabrikantensohn Stephan Witte aus Iserlohn den alten Adelssitz übernahm. Er hatte ein Faible für Landwirtschaft und auch das nötige Kapital, um das heruntergewirtschaftete Landgut wieder auf Vordermann zu bringen. Im Jahre 1876 ließ er die repräsentative Villa bauen, die die Rünther noch heute bewundern. Entgegen allen Erwartungen geht das Gebäude also nicht auf adelige Erbauer zurück, sondern ist ein steinernes Zeugnis für das aufstrebende Bürgertum, das durch die Industrialisierung zu Geld kam und es sich leisten konnte, den Adel regelrecht zu imitieren. Für solche Aufsteigergeschichten entwickelte sich umgangssprachlich der Begriff von den „Neureichen“ oder auch „Geldadel“. Als Witte 1899 starb, hatten seine Kinder kein Interesse daran, in die Fußstapfen des Vaters zu treten.

Für den Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenverein eröffnete sich die Möglichkeit, das alte Landgut zum Preis von 130.000 Reichsmark zu erwerben, um auf den Ländereien die dringend benötigte Arbeitersiedlung, die man in der Nachbarstadt Werne nicht bauen durfte, für seine Zeche zu errichten. Im Ort begann das Zeitalter der Montanindustrie, auf Haus Rünthe herrschten fortan die Kohlebarone. Als das Bergwerk 1974 geschlossen wurde, ging die Immobilie in den Besitz privater Eigentümer über.

Das Foto von 1939 stammt aus dem Familienalbum von Siegfried Maiweg, früherer Direktor der Zeche Werne. (Repro: Manuel Izdebski)
Das Foto von 1939 stammt aus dem Familienalbum von Siegfried Maiweg, früherer Direktor der Zeche Werne. (Repro: Manuel Izdebski)