Kohlehändler waren früher in
allen Bergbaugemeinden des Ruhrgebiets zu finden. Mit dem Niedergang der Steinkohle kam für die Branche das Ende. In Rünthe war die Kohlehandlung Hoffmann in der Kanalstraße über Jahrzehnte ein
fester Begriff. Das Unternehmen lieferte im Auftrag der Zeche die Deputatkohle aus, auf die alle Bergleute in den Kolonien Anspruch hatten.
"Mit dem Fuhrgeschäft für die Zeche Werne hatte mein Großvater schon in den 1920er Jahren begonnen, damals aber noch mit Pferd und Wagen", erinnert sich Karl-Friedrich Hoffmann, der heute in der Dille wohnt. Ab 1933 wurde zusätzlich mit Brennstoffen gehandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zu Zeiten des Wiederaufbaus erstmals ein LKW angeschafft. "Da hatte mein Vater Franz den Betrieb übernommen. Von den vier Söhnen der Familie Hoffmann ist nur er aus dem Krieg zurückgekehrt, allerdings hatte er durch eine Schussverletzung ein Bein verloren und trug eine Prothese."
In den Wirtschaftswunderjahren brummte bei den Hoffmanns der Laden. Der Bergbau lieferte die Energie für den Aufschwung nach dem Weltkrieg. "Wir hatten Schulen, Kindergärten, Kirchen und Schwimmbäder im ganzen Umkreis als Kunden, die heizten damals alle noch mit Kohle", weiß Hoffmann. Sein geschäftstüchtiger Vater hatte entsprechende Lieferverträge mit den Verwaltungen ausgehandelt. "Ein Unternehmen aus Frankfurt war Großabnehmer, dafür lagen 70 Tonnen Kohle bei uns im Hof, das war ein Berg." Auch an den strengen Winter von 1963 kann er sich gut erinnern: "Damals mussten wir praktisch 24 Stunden am Tag die Kohle ausliefern, nur unser LKW schaffte es durch die Schneemassen."
In den Zechenkolonien von Rünthe war Kohlehändler Hoffmann bekannt, wie der sprichwörtlich bunte Hund. Jedem Bergmann standen pro Jahr 40 Zentner Deputatkohle zu, im Fachjargon auch Hausbrand genannt. "Meistens haben wir zweimal pro Jahr je eine Tonne geliefert." Lag der Kohlehaufen erst vor dem Haus auf dem Gehweg, wurden zumeist die halbstarken Söhne der Bergmannsfamilien zum "Schüppen" beordert. "Vor der Maloche hätten sich die Jungs gerne gedrückt, aber die Kohle musste schnell in den Keller oder in den Schuppen, das blieb nicht lange auf der Straße liegen", weiß Karl-Friedrich Hoffmann zu berichten. Er selbst stieg 1977 in das Familienunternehmen ein, führte die Tätigkeit aber nur noch im Nebenberuf aus. Drei Jahre später wurde das Geschäft ganz eingestellt. Die Bergbau-Ära im Ruhrgebiet ging langsam zu Ende.
In den Haushalten von Rünthe waren Kohleöfen bis zur großen Stadtteilsanierung in der Mitte der 1970er Jahre eine Selbstverständlichkeit. Auch nach der Privatisierung der Zechenhäuser setzten viele Bergleute auf eine Koks-Zentralheizung. Durch das tariflich vereinbarte Deputat sparte man sich die Heizkosten. An die mollige Wärme durch Kohle und Koks erinnern sich viele Rünther bis heute. Der Begriff von der "Bergbau-Lüftung" wurde zum geflügelten Wort: Ofen an, aber alle Fenster auf Kipp! An den sparsamen Umgang mit Energie dachte man erst später. Wer als Mitarbeiter das Deputat nicht in Anspruch nehmen musste, erhielt in den 1980er Jahren als Ausgleich rund 200 Mark je Tonne. Die damals noch mächtige Bergbaugewerkschaft sorgte für ihre Leute.
Ältere Einwohner wissen, dass die Familie Hoffmann bis 1965 auch eine kleine Landwirtschaft betrieb. Tatsächlich gehört die Hofstelle in der Kanalstraße zu den ältesten Gebäuden in Rünthe. Ursprünglich ein Fachwerkbau, wurde das Haus bereits 1946 umgebaut. Auf den früheren Ackerflächen des Hofes befindet sich heute die Siedlung "In der Dille". Der alte Betrieb soll gegen Ende des Jahres abgerissen werden. Das Gebäude steht seit mehreren Jahren leer. Karl-Friedrich Hoffmann möchte dort ein Zwei-Familienhaus errichten, um ein neues Kapitel in der Familiengeschichte zu beginnen.