Wer sich die Geschichte der Zechenkolonien in Rünthe erschließen will, kann sich im Stadtarchiv Hamm alte Bau- und Lagepläne für die Siedlungen anschauen. Dort lagern Archivalien aus der Entstehungszeit der Bergbaugemeinde, die damals noch zum Amt Pelkum gehörte.
In den Archivbeständen befinden sich die über 100 Jahre alte Baupläne für die Häuser in der Schachtstraße und der Kanalstraße, Baugenehmigungen des Amtes Pelkum und Rechnungen der Dortmunder Baufirmen, die die Kolonien in Rünthe errichtet haben. Zu den historischen Schätzen gehören auch im Jahre 1922 gefertigte Lagepläne zum Bau der Kolonie Rünthe-West, der dann 1924/25 erfolgte.
Alte Dokumente beschäftigen sich außerdem mit der Vergabe von Straßennamen in Rünthe. In den ersten Jahren nach Gründung der Kolonien bekamen die Häuser nur eine Nummer, dabei ging man chronologisch vor. Straßenbezeichnungen wurden ab 1910 nach und nach eingeführt. Die Auswahl der Straßenwidmungen traf die Direktion der Zeche Werne, schließlich befanden sich die Zechensiedlungen inklusive der Straßen in ihrem Besitz und wurden quasi als exterritoriales Gebiet betrachtet. Daher rührt auch die Bezeichnung "Kolonie". Für einige Jahre galten die neuen Straßennamen mit den alten Hausnummern. Das führte zu dem Kuriosum, dass es beispielsweise die Westfalenstraße 219 oder die Querstraße 287 gab. Erst später erfolgte die Ordnung der Hausnummern so, wie wir sie heute kennen.
Wann die Straßen in Rünthe öffentlich wurden und in das Eigentum der Gemeinde kamen, lässt sich anhand der Akten nicht nachvollziehen. Dass die Zechenverwaltung bei den Straßennamen bergmännische Begriffe verwendete, liegt auf der Hand. Glückauf-, Knappen-, Schacht-, oder Schlägelstraßen finden sich aus den gleichen Gründen in vielen Ortschaften des Ruhrgebiets, die alle erst mit dem Bergbau einen Aufschwung erfuhren. Rünthe ist dafür ganz exemplarisch. Im Jahre 1899, als die Zeche Werne das Haus Rünthe mit seinen 36 Hektar Land erwarb, lebten in der Gemeinde 293 Menschen. Nur 16 Jahre später - nach dem Bau der alten Kolonie und der Kolonie Rünthe-Süd - waren es bereits 4.300 Einwohner.
Aus heutiger Sicht ist es bemerkenswert, mit welchem Tempo die Zeche den Siedlungsbau in der Altgemeinde vorantrieb. Vom Baubeginn am Hellweg im Jahre 1899 war man innerhalb von zehn Jahren bis zur Taubenstraße vorgedrungen. Dann erfolgte ein Bruch in der Vorgehensweise. Alle weiteren Häuser Richtung Süden bekamen kein Kellergeschoss mehr. Mutmaßlich dürfte das den Bau der Kolonie Rünthe-Süd schneller und kostengünstiger gemacht haben. In den Jahren 1910/11 waren die Häuser bis zur Bever- und Querstraße errichtet. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Gebäude damals noch nicht elektrifiziert waren und außerdem über keinen eigenen Wasseranschluss verfügten. Dafür gab es in den Straßen etwa alle 30 Meter eine Wasserpumpe, um sich zu bedienen. Die Elektrifizierung der Gemeinde erfolgte erst in den Jahren ab 1911. Gekocht und geheizt wurde in Rünthe mit Kohleöfen. Das sollte sich bis in die 1970er Jahre hinein nicht ändern.
Die Kolonie Rünthe-West wurde ab 1922 geplant und 1924/25 erbaut. Zu dieser Zeit ging die Zeche Werne in den Besitz der Klöckner-Werke über. Die Wohnungen waren ursprünglich für Zechenbeamte vorgesehen. Mit der dritten Kolonie war die Einwohnerschaft bis zum Jahre 1927 auf über 6.000 Menschen angewachsen. Die Bevölkerung Rünthes hatte sich damit innerhalb von 25 Jahren verzwanzigfacht. Aus der einstmals kleinen Bauernschaft war eine aufstrebende Gemeinde geworden. Ein rasanter Wandel, der erst durch die Industrialisierung möglich wurde.
(Zum besseren Verständnis sind die heutigen Straßennamen verwendet worden. Diese sind nur zum Teil mit den damaligen Straßennamen identisch.)